#42 Stress beim Präsentieren? Die überraschende Erklärung aus der Hirnforschung
Shownotes
Warum du beim Präsentieren plötzlich den Faden verlierst – und was die Hirnforschung damit zu tun hat. Dein Kopf ist leer, die Worte fehlen – und das genau dann, wenn es zählt? Dein Gehirn spielt dir einen uralten Überlebensmechanismus aus der Steinzeit vor. Diese Folge lüftet das Geheimnis, warum wir beim Präsentieren in den Überlebensmodus schalten.
Shownotes:
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00:00:03: (Musik) Herzlich willkommen zu "Professionell auftreten", dein
00:00:07: Podcast für die gelungene Präsentation.
00:00:10: Souverän, glaubwürdig und begeisternd auftreten, deine Botschaft
00:00:14: zielsicher anbringen, mit Leichtigkeit Lampenfieber, kritische Fragen und andere
00:00:20: Stolpersteine überwinden, darum gehts.
00:00:23: Ich bin Silvia B.
00:00:24: Pitz und freue mich auf dich, herzlich willkommen.
00:00:29: Kennst du das auch?
00:00:33: Du stehst vor einer Gruppe von Investorinnen und Stakeholdern.
00:00:37: Die Blicke sind auf dich gerichtet und plötzlich merkst du: Mist, ich
00:00:42: bin nicht gut genug vorbereitet.
00:00:44: Die Argumente der anderen sind scharf, präzise.
00:00:48: Und jetzt fehlt dir die Antwort.
00:00:51: Du suchst nach Worten, dein Kopf ist leer, während du innerlich schreist: Warum
00:00:56: habe ich das nicht vorher durchdacht?
00:00:58: Du ärgerst schwarz.
00:01:00: Innerlich greifst du dich sogar an und greifst dir auch an den Kopf und
00:01:04: denkst: Das gibts doch nicht!
00:01:07: Du fühlst dich ausgeliefert, als wärst du auf offener Bühne entwaffnet worden.
00:01:12: Für die anderen mag es vielleicht gar nicht so schlimm aussehen, aber du selbst
00:01:16: fühlst dich wie der Depp, hast versagt und vielleicht wertvolle
00:01:21: Vertrauenspunkte bei wichtigen Stakeholdern verspielt.
00:01:24: Und du weißt, so etwas willst du nie wieder erleben.
00:01:27: Die Folge: Du entwickelst womöglich eine richtige Abwehrhaltung
00:01:31: gegenüber Präsentationen.
00:01:34: Du willst diese peinliche Unsicherheit nicht noch einmal durchmachen und
00:01:38: vermeidest es lieber, dich wieder in so eine Lage zu bringen.
00:01:41: Aber genau das ist die falsche Schlussfolgerung.
00:01:45: Denn die Wahrheit ist, es geht auch anders.
00:01:47: Du kannst lernen, genau solche Momente souverän zu meistern.
00:01:51: Und es ist leichter, als du denkst.
00:01:53: Herzlich willkommen zu "Professionell auftreten: Stress beim Präsentieren – Die
00:01:58: überraschende Erklärung aus der Hirnforschung".
00:02:02: Wir werden in dieser Folge erstens klären, warum uns das Präsentieren oft
00:02:06: schwerfällt, und wir schauen zweitens, was unser Hirn und uralte
00:02:10: Konzepte damit zu tun haben.
00:02:12: Ja, dann lass uns gleich mal mit Punkt 1 loslegen.
00:02:16: Warum fällt uns das Präsentieren oft zu schwer?
00:02:20: Wir schauen uns diese These mal aus psychologischer und biochemischer Sicht
00:02:25: an, aber keine Sorge, es wird jetzt nicht allzu kompliziert.
00:02:29: Wir wollen verstehen, was bei uns im Hirn abläuft, wenn wir vor Publikum stehen
00:02:34: und etwas Vernünftiges sagen wollen.
00:02:37: Als Managerin und Manager musst du das ja oft genug tun.
00:02:41: Manchmal gelingt es eben nicht so gut, und da gehe ich für dich
00:02:44: einmal auf Spurensuche.
00:02:47: Spannend finde ich die Aussagen viele meiner Coachees, die es gewohnt sind, vor
00:02:51: Publikum in Meetings mit Stakeholdern oder auch mit Pressevertreterinnen
00:02:56: und Vertretern zu sprechen.
00:02:58: Sie berichten, dass sie, obwohl sie sehr erfahren im Präsentieren sind,
00:03:02: in manchen Situationen dennoch plötzlich nervös werden, Unruhe und Angst spüren
00:03:07: und eine schlechte Performance abgeben.
00:03:10: Das Ganze läuft dann ab wie ein Film und man kann sich an verschiedene
00:03:13: Passagen gar nicht mehr erinnern.
00:03:16: Dann sind wir im sogenannten Kampf-und Fluchtmodus und damit bei Punkt 2 unserer
00:03:21: Folge: Was hat unser Hirn und dessen uralte Verdrahtung mit allem zu tun?
00:03:28: Unser Gehirn schaltet einfach auf Überleben.
00:03:31: Das kann passieren, wenn es sich nach unserer Meinung um eine äußerst wichtige
00:03:35: Sache handelt, wir uns dadurch selbst zu sehr unter Druck setzen und unbedingt
00:03:39: eine besonders gute Show abliefern wollen.
00:03:42: Ich glaube, das kennen wir alle.
00:03:45: Matt Abrahams, ein Dozent für strategische Kommunikation an der Stanford University
00:03:49: in Kalifornien, sagt: „Kommunikationsangst ist absolut normal.
00:03:56: Der Wunsch, einen guten Eindruck zu machen, wenn wir öffentlich sprechen, ist
00:04:00: natürlich und hilft uns, den Status innerhalb unserer Gruppe zu erhalten.
00:04:05: " In grauer Vorzeit war es so, dass ein höherer Status in einer Gruppe die Bindung
00:04:11: an den Stamm aufrecht erhielt, was das überleben förderte.
00:04:16: Das sind psychologische Gründe, die nicht mehr viel mit der heutigen Lebenssituation
00:04:20: der meisten Menschen in unserer entwickelten Welt zu tun haben.
00:04:25: Wir sind heute zum Glück nicht mehr auf Gedei und Verderb auf
00:04:29: den Stamm angewiesen.
00:04:31: Auf den Zusammenhalt in unserer Gruppe, sei es im Job oder im
00:04:35: familiären Bereich, schon eher.
00:04:38: Ich persönlich finde es ja ärgerlich, dass unser Hirn in bestimmten Situationen immer
00:04:42: noch nicht mit unserer Entwicklung Schritt gehalten hat und versteht, dass uns
00:04:47: ja faktisch nicht viel passieren kann.
00:04:50: Also zumindest besteht in den allermeisten Präsentationssituationen
00:04:53: keine Lebensgefahr.
00:04:56: Dennoch bringt der alte Bereich des Gehirns unser limbisches System,
00:05:00: den gesamten Körper und auch unser Denken in so einer Situation durcheinander.
00:05:06: Wir sind nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, denn jetzt geht
00:05:11: es, so denkt unser limbisches System, im Gehirn jedenfalls, um Leben und Tod.
00:05:17: Dieses System überschreibt temporär alle anderen Bereiche im Hirn, die ein
00:05:22: vernünftiges rationales Denken ermöglichen.
00:05:25: Unseren präfrontalen Kortex, den Hippocampus und unser Sprachzentrum, was
00:05:31: besonders bei Präsentationen natürlich äußerst unangenehme Folgen hat.
00:05:35: Aber sei es drum, es hilft ja nichts, wir müssen mit dem arbeiten, was wir haben.
00:05:39: Das gilt übrigens im doppelten Sinne, wenn wir von unserem Hirn sprechen.
00:05:44: Okay, noch mal zur Erinnerung: Was passiert, wenn unser limbisches System die
00:05:49: Kontrolle übernimmt, weil es an irgendeiner Stelle einen Alarm
00:05:53: gibt, der heißt „Achtung, Gefahr"?
00:05:56: Was passiert mit unserem Körper?
00:05:59: Stresshormone werden ausgeschüttet, sie sorgen für erhöhte Herzfrequenz,
00:06:04: für Spannungen und Versorgung in den großen Muskeln, nicht in den Extremitäten.
00:06:09: Das heißt, wir bekommen kalte Hände, wir haben Schwindelgefühle, wir schwitzen, was
00:06:15: bei einer Flucht- und Kampfsituation ja kühlen soll.
00:06:18: Der Blutdruck steigt, der ganze Körper ist in Alarmbereitschaft.
00:06:23: Was in Urzeiten Sinn gemacht hat, ist heute kontraproduktiv.
00:06:27: Es geht aber noch weiter: Durch die Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin
00:06:32: und Cortisol werden unsere Gedanken auch auf Gefahr ausgerichtet.
00:06:37: Wir sind überachtsam und wittern hinter jedem Verhalten im Publikum ein negatives
00:06:43: Feedback und somit eine Bedrohung unserer Präsentation.
00:06:48: Wir haben einen Tunnelblick fürs Negative und das führt immer weiter
00:06:52: in die Abwärtsspirale.
00:06:55: Der freundliche, zugewandte Kontakt zu den Gesprächspartnern, Kunden
00:07:00: oder zum Publikum bricht ab.
00:07:02: Auch sie spüren langsam aber sicher, dass wir nicht mehr ganz bei der Sache sind
00:07:06: und buchstäblich ums Überleben kämpfen.
00:07:10: Das wirkt sich auch auf unsere Zuschauer*innen natürlich negativ aus.
00:07:15: Es geht aber noch weiter: Durch die Stresshormone wird auch
00:07:18: unser Denkvermögen beeinflusst.
00:07:20: Der präfrontale Kortex, für vernünftiges Denken zuständig, der sitzt hier vorne am
00:07:25: Hirn, bekommt nicht mehr viel Energie und Sauerstoff ab und das hat zur Folge, dass
00:07:31: wir Schwierigkeiten haben, komplexe Zusammenhänge zu erfassen.
00:07:36: Wir verlieren die Fähigkeit, uns präzise auszudrücken und haben Probleme,
00:07:41: die Präsentationsstruktur im Kopf zu behalten.
00:07:44: Außerdem wird das sogenannte Broca-Areal, unser Sprachzentrum, gehemmt.
00:07:49: Wir haben Wortfindungsprobleme, Sprechblockaden und verwenden Füllwörter,
00:07:55: können uns nicht mehr klar ausdrücken.
00:07:58: Noch mal: In einer Fluchtsituation ist das auch gar nicht nötig.
00:08:01: Insofern ist die gesamte Maschinerie, die hier angeworfen wird, sinnvoll für Flucht
00:08:07: oder Kampf, nur nicht in einer Präsentationssituation.
00:08:11: Aber ich bin noch nicht fertig.
00:08:13: Unser Körper leistet in der vermeintlichen Kampf-und Fluchtszene noch viel mehr.
00:08:19: Auch der Hippocampus, da sitzt unser Gedächtnis, wird durch
00:08:23: das Stresshormon Cortisol beeinflusst.
00:08:26: Folge ist, dass wir uns nicht mehr an vorbereitete Inhalte erinnern können,
00:08:31: uns der rote Faden abhanden kommt und wir vielleicht sogar einen Blackout erleben.
00:08:37: So manch einer oder eine kennt das aus Prüfungssituationen.
00:08:41: Unsere Amygdala, das Angstzentrum, wird hyperaktiv und dadurch
00:08:46: wird zudem unsere innere kritische Stimme auch noch lauter.
00:08:51: Wir haben das Gefühl, dass andere uns be-und verurteilen und legen den Fokus
00:08:56: mehr auf die Fehler statt auf die positiven Inhalte.
00:09:00: Ein innerer, konflikthafter Dialog verschärft zusätzlich die Situation.
00:09:05: Kein besonders wünschenswerter Zustand in einer Kommunikationssituation.
00:09:10: Ja, du siehst, diese von unserem Hirn falsch
00:09:13: interpretierte Gefahr hat massive Auswirkungen auf unseren Auftritt
00:09:18: und es endet damit ja nicht.
00:09:21: Wir haben, wenn wir uns öfter solchen stressigen Situationen aussetzen, auch
00:09:25: langfristige gesundheitliche und andere Probleme.
00:09:29: Durch den Kampf-und Fluchtmechanismus werden zum Beispiel auch in dem Moment
00:09:34: weniger wichtige Körperfunktionen gehemmt, wie zum Beispiel Verdauung,
00:09:39: Immunabwehr oder Sexualfunktion.
00:09:42: Das heißt, wir werden anfälliger für alle möglichen Krankheitserreger, haben
00:09:47: Verdauungsprobleme und keine Lust auf Sex.
00:09:50: Wird das Cortisol nicht durch körperliche Aktivität, eben Kampf oder Flucht,
00:09:54: abgebaut, führt es zu erhöhter Reizbarkeit und Anspannung, zu schlechtem Schlaf
00:10:01: und auch noch Abbau von Muskelproteinen.
00:10:04: Alles nicht gut für die Gesundheit und auch nicht gut für eine gute
00:10:08: Beziehung mit unseren Mitmenschen.
00:10:10: Das ist doch wirklich enorm, was dieser primitive Teil unseres Gehirns anrichten
00:10:15: kann, wenn er fälschlicherweise anspringt.
00:10:19: Wir sollten also alles dafür tun, dass wir erst gar nicht in so eine stressige
00:10:23: Situation kommen, die unser Gehirn dazu bringt, den Kampf-und
00:10:27: Fluchtmodus anzuwerfen.
00:10:29: Unser Gehirn ist auf Überleben getrimmt, nicht auf Performance.
00:10:34: Die Neurowissenschaftlerin Dr. Anvesha Banerjee sagt, dass öffentliches Sprechen
00:10:39: unseren Status in der Gruppe bedrohen kann, weil wir ja herausgehoben und
00:10:44: einer Prüfung ausgesetzt werden.
00:10:47: Sie erklärt, dass, wenn wir uns verletzlich fühlen, eben die primitiven
00:10:51: Bereiche wie das limbische System anspringen.
00:10:56: Jetzt weißt du, warum dein Gehirn in Präsentationssituationen manchmal komplett
00:11:00: auf Kampf-und Fluchtmodus umschaltet und warum das eigentlich gar nicht nötig wäre.
00:11:06: In einer der nächsten Folgen schauen wir uns ganz genau an, wie du diesen
00:11:10: Mechanismus gezielt austricksen kannst, um souverän und entspannt aufzutreten.
00:11:16: (Musik) Bleib also dran, es wird spannend.
00:11:18: Das war es für dieses Mal "Professionell auftreten".
00:11:26: Jetzt hast du bestimmt noch mehr Freude bei deinen kommenden Präsentationen.
00:11:31: Weitere Informationen zum Podcast und die Shownotes findest du auch auf
00:11:35: meiner Webseite pitz-coaching. de.
00:11:39: Schau doch mal rein.
00:11:41: Danke und bis bald, deine Silvia B.
00:11:44: Pitz.
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